MDR:

„Einmonatiges Widerrufsrecht bei Versandgeschäften – Milliardengeschenk für die Verbraucher?“

MDR 2007, S.61ff, von Dr. Christopher Woitkewitsch/Clemens Pfitzer: Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 18.07.2006 entschieden, dass ein via ebay agierender Unternehmer gegen seine Informationspflichten verstoße, wenn er private Endverbraucher auf das Bestehen eines zweiwöchigen Widerrufsrechts hinweist. Im Fall des Verbrauchsgüterkaufs stehe dem die Ware ersteigernden Käufer tatsächlich ein einmonatiges Widerrufsrecht zu. Dieser Auffassung ist das Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil vom 24.08.2006 gefolgt. In Internetforen wird insofern von „einer Katastrophe für alle ebay-Händler gesprochen“; die Gerichtsentscheidungen stoßen vielfach auf Ablehnung. Dabei werden die evidenten Konsequenzen eines restriktiven Textformverständnisses nicht einmal thematisiert: Folgt man der Auffassung der Oberlandesgerichte, dürften die privaten Käufer ihre Altverträge aufgrund der fehlerhaften Belehrungen zeitlich unbegrenzt und ggf. ohne kompensierende Wertersatzverpflichtung widerrufen. Der folgende Beitrag befasst sich vor diesem Hintergrund mit den Auswirkungen der beiden Entscheidungen auf Belehrungspflichten im eBay- und dem sonstigen Internet-Versandhandel. 1. Einleitung

Fernabsatzgeschäfte können nach Vertragsabschluss grundsätzlich ohne Angabe von Gründen frei widerrufen werden (§§ 312 b, 312 d, 355 ff. BGB). Dies gilt auch für via eBay geschlossene Verträge, da diese nicht unter den Ausschlusstatbestandes nach § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB fallen. Hierbei ist zu beachten, dass der private „Power-Seller“ als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB gelten kann. Dies ist von besonderer Bedeutung. Denn nur den gewerblichen Verkäufer treffen im Rahmen des Abschlusses eines Fernabsatzgeschäfts die Belehrungspflichten nach den §§ 312 c, 355 bis 357 BGB, § 1 BGB-InfoV. Der Unternehmer hat gemäß § 312 c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB dem Verbraucher die ihm obliegenden Informationen spätestens bis zur Warenanlieferung in Textform mitzuteilen. Grundsätzlich muss der Verkäufer auf das Bestehen eines zweiwöchigen Widerrufsrechts hinweisen; diese Frist beginnt mit Zugang einer ordnungsgemäßen Belehrung in „Textform“ zu laufen (vgl. § 355 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 BGB). In § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB heißt es: Wird die Belehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt, beträgt die Frist abweichend von Absatz 1 Satz 2 einen Monat.  Teilweise wird bezüglich § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB argumentiert, dass die Monatsfrist nur einschlägig sei, wenn der Unternehmer den Verbraucher vor Vertragsschluss überhaupt nicht belehrt habe. Eine solche Auslegung ergibt sich jedoch weder aus dem Wortlaut, noch aus dem Sinn und Zweck von § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die Vorschrift wurde eingeführt, um dem Unternehmer die Möglichkeit zu geben, eine Belehrung die nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB genügt, nachzuholen. Eine gesetzliche Anforderung nach § 355 Abs. 2 BGB ist die Textform, so dass sich § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB auch auf die Fälle erstreckt, in denen zwar vor Vertragsschluss eine irgendwie geartete Belehrung erfolgte, diese aber nicht in Textform erteilt wurde. Des Weiteren wird im Zusammenhang mit § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB problematisiert, wann eine Belehrung nach und wann sie noch bei Vertragsschluss erfolgt. Nach wohl einhelliger Ansicht ist eine Unterbrechung des Geschehensablaufs erforderlich, da es nicht darauf ankommen könne, in welcher Reihenfolge die Belehrung und das Vertragsformular bei sonst einheitlichem Vorgang ausgehändigt werden. Eine im Anschluss an einen Vertragsschluss im Internet versendete E-Mail mit Widerrufsbelehrung bildet allerdings keinen einheitlichen Vorgang mehr. Es hängt vom Zufall ab, wann die E-Mail dem Verbraucher tatsächlich zugeht. Dies auch mit einiger Verzögerung geschehen. Gleiches gilt, sofern erst der versendeten Ware eine Widerrufsbelehrung in Textform beiliegt.  Es ist also zu fragen, ob eine auf der Homepage des Anbieters getätigte Widerrufsbelehrung dem Textformerfordernis genügt. In diesem Fall würde die ordnungsgemäße Belehrung vor Vertragsschluss erfolgen und die Widerrufsfrist betrüge statt eines Monats zwei Wochen.

2. Textform

Nach wohl herrschender Meinung eignet sich eine Webseite nicht zur Erfüllung der Textform, es sei denn die Webseite wird tatsächlich gespeichert oder ausgedruckt. Denn die im Internet befindliche Webseite selbst ist gerade nicht zur dauerhaften Wiedergabe geeignet. Die bloße Abrufbarkeit oder die Aufforderung des Unternehmers zum Ausdruck reicht nicht aus. So könnte eine Webseite jederzeit verändert oder offline gestellt werden, so dass ein weiterer Zugriff auf den ursprünglichen Inhalt nicht mehr möglich ist. Nur bei einer tatsächlichen Speicherung durch den Verbraucher ist die verkörperte Erklärung dem Zugriff des Unternehmers entzogen, so dass im Fall eines tatsächlichen Downloads oder Ausdrucks die Textform gewahrt wäre. Diese Ansicht wird auch durch den Willen des historischen Gesetzgebers gestützt, der eine dauerhafte Wiedergabe nur annimmt wenn der Verbraucher die Informationen tatsächlich abspeichert oder ausdruckt und sie so dem Zugriff des Unternehmers entzieht. Die bloße Möglichkeit der Speicherung soll indessen nicht genügen, da die Belehrung nach § 355 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB mitgeteilt werden muss und daher einen Zugang beim Verbraucher erfordert. Diese Mitteilungspflicht ist  vom Unternehmer – als Rechtspflicht – zu erfüllen und setzt keine Initiative des Verbrauchers voraus.   Eine vielfach vertretene Mindermeinung geht davon aus, dass bereits eine Belehrung auf einer Webseite im Internet der Textform genügt, wenn die Webseite für den Verbraucher speicherbar ist. Das Gesetz spreche davon, dass die Belehrung nur zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignet sein müsse. Auf eine tatsächliche Speicherung käme es indessen nicht an. Besteht die Möglichkeit zur dauerhaften Speicherung, sei das Textformerfordernis erfüllt. Eine darüber hinausgehende Anforderung würde zu unüberwindbaren praktischen Schwierigkeiten führen und die Anforderungen an die Textform überdehnen. Das OLG München geht in einer Entscheidung davon aus, dass es nicht darauf ankomme, ob eine Webseite speicherbar ist oder nicht. In einer Entscheidung zu § 8 VerbrKrG lässt es das Gericht genügen, dass die Informationen in lesbarer Form bis zur Abgabe des Angebotes im Internet zur Verfügung stehen. Eine darüber hinaus gehende Abrufbarkeit sei nicht erforderlich.   Nach unserer Ansicht genügen ins Internet gestellte Webseiten im Hinblick auf die Widerrufsbelehrung nicht den Textformerfordernissen nach § 126b BGB. Eine Webseite kann jederzeit offline gestellt oder inhaltlich verändert werden. Eine dauerhafte und unveränderte Wiedergabe der auf der Webseite enthaltenen Informationen ist für den Verbraucher nicht garantiert, sondern hängt vielmehr von Zufälligkeiten außerhalb seines Einflussbereichs ab. Die Textform soll sicherstellen, dass dem Verbraucher eine unveränderte Belehrung verbleibt und diese dem Zugriff des Unternehmers entzogen ist. Die bloße Eignung zur Speicherbarkeit einer Webseite greift zu kurz. Würde man dieser Ansicht folgen, würde die Obliegenheit der Speicherung beim Verbraucher liegen. Dieser müsste auf eigene Initiative hin tätig werden. Das Gesetz verlangt jedoch keine Initiative vom Verbraucher, sondern verpflichtet den Verkäufer, dem Verbraucher die Informationen in Textform mitzuteilen. Der Zugang in Textform ist nach § 130 BGB vom Unternehmer zu gewährleisten. Aus diesem Grund trägt der Verkäufer die Beweislast dafür, dass die Textform eingehalten wurde. Eine andere Auslegung würde dem Sinn und Zweck der Textform und dem Verbraucherschutz zuwider laufen. Es ist technisch ohne weiteres möglich etwa durch eine vorherige E-Mail oder einen Zwangsdownload im Bestellvorgang die Textform zu wahren. Die Tatsache, dass Anbieter wie bspw. eBay solche technischen Möglichkeiten derzeit nicht eröffnen, kann nicht als Argument dafür dienen, die Anforderungen an die Textform herabzusenken; eine normative Kraft des Faktischen ist abzulehnen. Man kann schwerlich argumentieren, dass eine Perpetuierung der Widerrufserklärung bereits durch die  Zwischenspeicherung im RAM oder Cache des Rechners des Verbrauchers erfolgen würde. Einer solchen Zwischenspeicherung fehlt es an der von § 126b BGB geforderten Dauerhaftigkeit. Ein weiteres Argument ist, dass die Belehrung nach dem Wortlaut von § 355 Abs. 2 BGB dem Verbraucher, und nicht den Verbrauchern mitgeteilt werden muss. Es bedarf also einer individuellen Mitteilung, die bei einer an die Allgemeinheit gerichteten Mitteilung nicht gewahrt ist. Hier fehlt es schlicht am Zugang der Belehrung im Einzelfall. Würde man die auf einer Webseite enthaltenen Informationen dem Textformerfordernis genügen lassen, müsste dies auch im umgekehrten Fall gelten. Für die Widerrufserklärung nach  § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB würde es insofern genügen, wenn der Verbraucher den Widerruf in Textform auf seiner Webseite erklärt. Einem derartigen Textformverständnis würde man jedoch zu Recht widersprechen. Da der Textformbegriff einheitlich zu verstehen ist, kann für Erklärungen und Hinweise auf der Webseite des Unternehmers dann aber nichts anderes gelten. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass zwischen E-Mail und Webseite kein entscheidender Unterschied bestehe, da auch bei der E-Mail nicht sichergestellt sei, dass diese vom Verbraucher abgerufen werde. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist, dass die Erklärung dem Verbraucher so zugeht, dass dieser sie zur Kenntnis nehmen kann und sie dem Zugriff des Unternehmers entzogen ist. Eine E-Mail ist bereits zugegangen, wenn sie den Server des Adressaten erreicht; dieser fungiert als virtueller Briefkasten. Um eine Parallele zur Offlinewelt zu ziehen: Es würde grundsätzlich ausreichen einen Brief an den Verbraucher oder dessen Postfach zu schicken, ob dieser ihn nun öffnet oder nicht, ist für den Zugang unerheblich. Ein in ein Schaufenster geklebtes Plakat reicht indessen für einen Zugang nicht aus.

3. Vereinbarung eines Rückgaberechts

Will der Unternehmer in Abweichung von § 355 BGB ein Rückgaberecht nach § 356 BGB vereinbaren stellt sich die gleiche Problematik wie beim Widerrufsrecht. Auch § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB enthält das Textformerfordernis. Zunächst erfordert die Vereinbarung eines Rückgaberechtes als Abweichung vom gesetzlichen Regelfall, des vorangegangenen Hinweises in einem Verkaufsprospekt. Der Verkaufsprospekt muss dem Textformerfordernis nicht genügen, da sich § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB nur auf das Rückgaberecht als solches bezieht. Internetseiten können also ein Verkaufsprospekt sein. Für die Einräumung des Rückgaberechts bedarf es nach § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Textform. Fraglich ist, auf welchen Zeitpunkt für die Einräumung abzustellen ist und ob die Textform auch nachgeholt werden kann. So spricht der Wortlaut von § 356 Abs. 1 Satz 2 BGB von Voraussetzung. Dies bezieht sich wiederum auf § 356 Abs. 1 Satz 1 BGB in dem es bei Vertragsschluss heißt. Aus dem Wortlaut könnte man bei restriktiver Auslegung schließen, dass auch die Einräumung des Rückgaberechts spätestens bei Vertragsschluss in Textform erfolgen muss.   Dieser Auslegung widerspricht die herrschende Meinung, die der Vorschrift keine Angaben zu einem Zeitpunkt entnehmen will. Sie unterscheidet vielmehr, ob es im Verkaufsprospekt, also beispielsweise auf der Angebotsseite im Internet, zu einer Information des Verbrauchers über ein Rückgaberecht kam oder nicht. Fehlt es im Verkaufsprospekt an der Einräumung eines Rückgaberecht, kann dieses nachträglich nur mit Zustimmung des Verbrauchers in den Vertrag einbezogen werden: Die nachträgliche Vereinbarung eines Rückgaberechts bedeutet nämlich eine Vertragsänderung. Ist im Verkaufsprospekt eine Rückgabebelehrung enthalten gewesen, der es an der Textform gefehlt hat, so kann diese Informationspflicht äquivalent zu § 355 Abs. 2 BGB nachgeholt werden. Bei Nachholung ist jedoch entsprechend zu § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB ein einmonatiges Widerrufsrecht einzuräumen. Dies ergibt sich auch aus Anl. 3 der BGB-InfoV, die im Falle eines Rückgaberechts eine nachträgliche Belehrung mit der Konsequenz eines einmonatigen Rückgaberechts vorsieht. § 356 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 BGB ist allerdings Wirksamkeitsvoraussetzung mit der Konsequenz, dass ein Vertrag bis zur Nachholung des Textformerfordernisses schwebend unwirksam bleibt und bis dahin die Regelungen des § 355 BGB gelten. Bei fehlerhafter Belehrung über ein Rückgaberecht fehlt es an einer Belehrung über ein Widerrufsrecht, mit der Konsequenz, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Belehrt der Unternehmer über beide Rechte, so ist dies irreführend, da die Rechte aus § 355 und § 356 BGB nur alternativ bestehen können. Eine Doppel-Belehrung wäre unklar und damit nicht ordnungsgemäß, mit der Konsequenz, dass eine Widerrufsfrist nicht zu laufen begänne.

4. Kaufvertragsabschluss via ebay 

Wie ein Vertragsschluss bei eBay zustande kommt, regeln neben den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften die AGB von eBay (Stand 05.11.2004). Diese AGB sind für Nutzer der Plattform anwendbar. In § 9 Abs. 1 Satz 1 der eBay-AGB heißt es: „Indem ein Mitglied als Anbieter zwecks Durchführung einer Online-Auktion einen Artikel auf die eBay-Website einstellt, gibt es ein verbindliches Angebot zum Vertragsschluss über diesen Artikel ab.“ Das bedeutet, dass ein Verkäufer, der Ware bei eBay zum Verkauf einstellt, ein bindendes Angebot nach § 145 BGB abgibt und keine bloße invitatio ad offerendum. Andernfalls würde dem Verkäufer bei einem für ihn unbefriedigenden Ertrag die Möglichkeit gegeben, den Vertragsschluss zu verhindern.   Das Verkausangebot kann bei eBay in Form einer Online-Auktion stattfinden, bei dem nach Zeitablauf der Höchstbietende den Zuschlag erhält oder durch sogenannte „Sofort-Kaufen“ Angebote bei denen der Käufer zu einem Festpreis kaufen kann. Der Vertrag kommt im Fall einer Auktion nach § 9 Abs. 3 der eBay AGB mit Ende der Auktion automatisch mit dem Höchstbietenden zustande, besteht zusätzlich eine „Sofort-Kaufen“ Option nach § 9 Abs. 4 der eBay-AGB, erfolgt der Vertragsschluss  bereits mit Ausübung der „Sofort-Kaufen“ Option. Bei „Sofort-Kaufen“ Angeboten kommt der Vertragsschluss nach § 11 Abs. 1 a.E. zustande, „sobald ein Mitglied die in dem Angebot enthaltenen Bedingungen erfüllt, die Schaltfläche Sofort-Kaufen anklickt und den Vorgang mit seinem Passwort bestätigt.“  Dies bedeutet, dass ein Vertragsschluss unmittelbar durch den Bieter/Käufer bei Zuschlag oder Ausübung der „Sofort-Kaufen“ Option geschlossen wird und zwar ohne Einfluss oder Mitwirkungshandlung des Verkäufers. Damit besteht derzeit bei eBay und den anderen Auktionsplattformen für den Verkäufer keine Möglichkeit, von sich aus dem Kunden vor Vertragsschluss außerhalb des eBay Angebots oder  anderen verlinkten Webseiten Informationen zukommen zu lassen. Eine Kontaktierung per E-Mail oder Fax ist mangels vorheriger Kenntnis des konkreten Vertragspartners nicht möglich. Nach erfolgtem Vertragsschluss erhalten beide Vertragsparteien eine E-Mail von eBay mit einer Bestätigung des Zuschlags/Kaufs und Kontaktinformationen über die jeweiligen Vertragspartner. Erst dann ist eine Kontaktaufnahme des Verkäufers mit dem Käufer möglich. Im Anschluss erfolgt die Kaufabwicklung entweder durch den Verkäufer manuell oder unter Nutzung eines der zahlreichen Auktionsabwicklungsprogramme (bspw. Afterbuy, Auction Studio oder Auktionmaster).   Bei anderen Auktionsplattformen wie bspw. www.azubo.de, www.hood.de, www.onlinauktionen.de, finden sich vergleichbare Regelungen.

5. Kaufvertragsabschluss via Online-Shop 

Von den Angeboten bei eBay unterscheiden sich die Angebote im übrigen Onlinehandel. Die dort angepriesenen Waren und Dienstleistungen stellen regelmäßig kein bindendes Angebot i.S.d. § 145 BGB dar, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum dar. Sie sollen dem potentiellen Kunden ohne Bindungswirkung einen überblick über die bestellbaren Waren und Dienstleistungen geben In den AGB der Onlinehändler wird üblicherweise geregelt, dass die Bestellung des Kunden ein Angebot i.S.d. § 145 BGB ist, welches der Händler entweder durch ausdrückliche Erklärung oder durch Warenversand annehmen kann. Die nach erfolgter Bestellung üblicherweise automatisch generierte Bestätigungsmail des Händlers, in welcher der Eingang der Bestellung bestätigt wird, stellt regelmäßig noch keine solche Annahmeerklärung dar, sondern dient lediglich der Erfüllung der Pflichten nach § 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB.

6. Belehrung beim Verbrauchsgüterkauf via eBay 

Die Belehrung über das Widerrufsrecht findet bei eBay, regelmäßig in dem Angebot selbst, teilweise durch Verweis auf die sogenannte „mich“-Seite (eine Seite auf der der Verkäufer Informationen über sich bereithalten kann) oder auf Seiten im eigenen eBay Shop statt. Neuerdings sieht eBay in seinen Angeboten einen eigenen Punkt mit dem Titel „Rückgaberecht“ vor.   Da derzeit bei eBay und vergleichbaren Angeboten, eine Belehrung vor Vertragsschluss nur im Rahmen des Angebotes oder damit verlinkter Webseiten möglich ist, ist die Textform grundsätzlich nicht gewahrt (s.o.). eBay hält die Angebote  jedoch noch bis 90 Tage nach Vertragsschluss online bereit. Insofern könnte man hier die Auffassung vertreten, dass die Textform gewahrt ist, da hier eine gewisse Dauerhaftigkeit besteht und der Unternehmer sein Angebot nach Vertragsschluss nicht mehr modifizieren kann. Die Tatsache, dass eBay als Dritter eine Speicherung anbietet, hat jedoch keine Auswirkungen auf die Belehrungspflichten des Unternehmers. Ob und wie lange die Angebote bereitgehalten werden ist an Zufälligkeiten gebunden, die im Einflussbereich des Plattformbetreibers liegen. So könnte eBay diesen Service jederzeit einstellen oder es könnten aufgrund technischer Probleme einzelne Angebote (zeitweise) nicht mehr aufrufbar sein. Ein Zugang beim Verbraucher fehlt auch hier. Letztlich ist die Speicherung von 90 Tagen zu kurz. Bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung stünde dem Verbraucher mindestens ein 6-monatiges, wenn nicht ein unbefristetes Widerrufsrecht zu. Zur überprüfung ob dem Verbraucher ein verlängertes Widerrufsrecht zusteht, ist eine dauerhafte Wiedergabemöglichkeit notwendig. Auch die Zusendung automatisch generierter E-Mails durch eBay im Anschluss an einen Zuschlag oder „Sofort-Kauf“ erfolgt stets nach Vertragsschluss, da diese mit dem Vertragsschluss keinen einheitlichen Vorgang bilden. Da bei eBay faktisch eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung in Textform nur nach Vertragsschluss möglich ist, beträgt die Widerrufsfrist, so denn die Belehrung in Textform nachgeholt wird, nach § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB 1 Monat. Daher ist in eBay-Angeboten und Angeboten auf vergleichbaren Plattformen über ein 1-monatiges Widerrufsrecht zu belehren.

7. Belehrung beim Verbrauchsgüterkauf via Online-Shop

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Belehrung in Textform ist im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs via Online-Shop wie folgt zu differenzieren:   a ) Belehrung in Textform vor Abgabe des Angebots   Eine vor Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers (in Textform) erfolgte Widerrufsbelehrung ist nach Ansicht des BGH unwirksam. Bei Abgabe einer (ordnungsgemäßen) Belehrung vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers bestünde die Gefahr, dass der Verbraucher sein Recht im Zeitpunkt der Abgabe seiner Willenserklärung wieder vergessen haben könnte. Es ist allerdings zweifelhaft ob die Entscheidung des BGH zum Haustürwiderrufsgesetz auf Fernabsatzgeschäfte übertragbar ist. Denn im Gegensatz zu Haustürgeschäften stehen bei Angeboten im Internet die Informationen und Belehrungen regelmäßig bis Vertragsschluss permanent für den Verbraucher zur Verfügung, so dass er sie sich auch noch bei Vertragsschluss vor Augen führen kann. Dennoch soll im Folgenden – entsprechend der herrschenden Meinung – von einer allgemeinen übertragbarkeit der BGH-Entscheidung auf alle Belehrungen nach § 355 BGB ausgegangen werden.   Im Internethandel sind die auf der Homepage des Anbieters abgegebenen Angebote regelmäßig als bloße Aufforderung zur Abgabe eines Kaufangebots von Seiten des Kunden zu verstehen (invitatio ad offerendum). Somit scheidet eine (unwirksame) Belehrung des Verbrauchers in Textform vor Abgabe seines Kaufangebots grundsätzlich aus.   Allerdings behalten sich viele Anbieter in ihren AGB das Recht vor, das Angebot des Kunden zu modifizierten Bedingungen anzunehmen und eine geringfügig veränderte Sache (z.B. ein technisch gleichwertiges Nachfolgemodell) auszuliefern. Ob das formularmäßig vereinbarte Recht zur aliud-Lieferung rechtswirksam ist, entscheidet sich danach, ob ein durch Angebot und Annahme geschlossener Vertrag bereits zustande kam. In diesem Fall verstößt die – zumeist unter „Lieferung“ verortete – Klausel gegen die §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. 2 Nr. 1, 475 Abs. 1, § 434 Abs. 3 BGB. Bei entsprechender AGB-Gestaltung – zumeist geregelt unter „Vertragsschluss“ – kann sich die Lieferung der anderen Sache jedoch auch als neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB darstellen. In diesem Fall ist eine (unzulässige) Belehrung vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers denkbar: Hat der Verbraucher die Belehrung in Textform vorab erhalten  – beispielsweise als E-Mail-Dateianlage zu der Empfangsbestätigung hinsichtlich seines ursprünglichen Angebots, so ist die Belehrung vor Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers (Annahme durch konkludentes Handeln) erfolgt und also unwirksam. Selbst wenn der Verkäufer der aliud-Lieferung eine Belehrung in Text- oder Schriftform beilegt, erfolgt diese Belehrung verfrüht; denn die Annahmeerklärung des Verbrauchers folgt der Lieferung – insbesondere durch die widerspruchslose Ingebrauchnahme der Ware – zeitlich nach. Der Verkäufer muss dem Kunden daher nach erfolgter aliud-Lieferung eine Belehrung in Textform nachsenden; der Kunde hätte in diesem Fall ein einmonatiges Widerrufsrecht ab Zugang dieser Belehrung (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB).   b ) Belehrung in Textform nach Abgabe des Angebots   In der Regel erhält der Verbraucher nach Absendung seines Kaufangebots binnen Sekunden eine E-Mail zurück gesendet, die lediglich den Zugang seiner Angebotserklärung bestätigt. Sofern der Bestätigungsmail eine Dateianlage mit einer der Anlage 3 zu § 14 der BGB-InfoV entsprechenden Belehrung beigefügt ist, wird der Verbraucher ordnungsgemäß und in Textform vor Vertragsschluss belehrt. Die auf der Homepage des Anbieters vorab gemäß § 312 c BGB erfolgte (virtuelle) Belehrung hinsichtlich des Bestehens eines 14-tägigen Widerrufsrechts erweist sich als zutreffend. Denn der Verbraucher wurde nach Abgabe seiner Willenserklärung, jedoch vor Vertragsabschluss in Textform belehrt. Die Mindermeinung, die in Verkennung der unter 7a zitierten BGH-Rechtsprechung fordert, dass die Widerrufsbelehrung in Textform nach Vertragsabschluss erfolgen müsse und ansonsten unwirksam sei, ist abzulehnen. Denn nach dieser Ansicht stünde dem Verbraucher zwingend ein zumindest einmonatiges Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB zu; die Regelvorschrift des § 355 Abs. 1 BGB liefe leer.   Dem Verkäufer ist also zu raten, dem Kunden nach Eingang des Angebots umgehend eine Bestätigungsmail mit dem Inhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung zurück zu senden. Eine derartige Belehrung genügt dem Textformerfordernis nach § 126 b BGB; sie muss lediglich dem Server des Kunden zugehen (§ 130 BGB). Ob der Verbraucher die E-Mail sodann zur Kenntnis nimmt ist unbeachtlich; der Verbraucher trägt insbesondere das Risiko, dass die Weiterleitung der E-Mail zu seinem Browser scheitert, etwa weil die Mail durch einen Spam-Filter vernichtet oder umgeleitet wird. Allerdings trägt der Verkäufer die Beweislast für den Eingang der E-Mail auf dem Server des Kunden. Er sollte sich daher den Zugang der Bestätigungsmail durch automatische Sende- oder Lesebestätigung bestätigen lassen.   c ) Belehrung in Textform bei ausdrücklicher Annahme des Angebots   Sofern der Verkäufer die Widerrufsbelehrung erst mit seiner per E-Mail versendeten Annahmeerklärung erteilt, liegt ein Grenzfall vor: Die Belehrung in Textform trifft beim Verbraucher weder „vor“ noch „nach“ Vertragsschluss, sondern zeitgleich mit diesem ein. Dennoch findet in einem derartigen Fall das 14-tägige Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1 BGB Anwendung. Da § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Ausnahmevorschrift ist, die auf den Erhalt der Belehrung „nach“ Vertragsabschluss abstellt, setzt eine zeitgleich mit der Annahmeerklärung erfolgende Belehrung nicht die Monatsfrist in Gang.   d ) Annahme durch Warenversendung   Viele Verkaufs-AGB enthalten eine Bestimmung, wonach der Unternehmer das Angebot des Kunden spätestens mit Versendung der Ware bzw. Warenübergabe an den Transporteur annimmt.   Sollte die Belehrung in Textform erstmalig dem Versandpaket beigelegt sein, gilt die Monatsfrist nach § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB. Weil der Vertrag bereits  mit der Absendung der Ware geschlossen wurde (vgl. § 151 BGB), erfolgt die Belehrung „nach“ Vertragsschluss, nämlich mit Zugang der Lieferung beim Kunden.   Selbst wenn die Widerrufsbelehrung in Textform bereits einer vorangehenden Bestätigungsmail beigefügt gewesen war, gilt nicht in jedem Fall die 14-tägige Widerrufsfrist: Sofern das Angebot des Verbrauchers vom Verkäufer nicht binnen 14 Tagen per E-Mail oder stillschweigend durch Warenversendung angenommen wurde, erlischt nämlich das Angebot des Kunden per se (§ 147 Abs. 2 BGB); entgegenstehende Bindungsklauseln verstoßen regelmäßig gegen § 308 Nr. 1 BGB. Daraus folgt, dass die nach Erlöschen der Angebotserklärung des Kunden zur Versendung aufgegebene Ware als neues Vertragsangebot des Verkäufers zu bewerten ist; die bereits erfolgte Widerrufsbelehrung ist demnach vor Abgabe der maßgeblichen Willenserklärung des Verbrauchers erfolgt und also unwirksam (s.o.).   e ) Annahme durch Zugang der Ware   Zuweilen finden sich Verkaufs-AGB, nach denen der Vertrag erst mit Zugang der Ware beim Kunden zustande kommen soll. Wurde der Verbraucher nach Abgabe seiner Angebotserklärung und vor Abgabe der Annahmeerklärung seitens des Verkäufers in Textform belehrt, gilt die 2-Wochenfrist nach § 355 Abs. 1 BGB.   Wird die ordnungsgemäße Belehrung erstmalig mit der Warenauslieferung erteilt, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB. Streng genommen geht das Paket dem Verbraucher vor der Widerrufsbelehrung zu. Denn um die Belehrung zu erhalten, muss zunächst das Paket geöffnet und die Belehrung gefunden werden. Gerade wenn der Verbraucher nicht mit einer im Paket enthaltenen Belehrung rechnet, erfolgt der Zugang des Paket und also der Vertragsschluss zumindest eine logische Sekunde vor dem Erhalt der Belehrung; verneint man hier das Vorliegen eines einheitlichen Vorgangs, erscheint die Annahme der Monatsfrist insofern vertretbar. Anderes mag gelten, wenn der Kunde auf der Homepage des Verkäufers ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich in dem Warenpaket eine Belehrung in Textform befindet. Sofern die Widerrufsbelehrung äußerlich sichtbar auf der Paketverpackung aufgeschweißt ist, fällt der Zeitpunkt der Belehrung mit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zusammen; einschlägig ist dann die 2-Wochenfrist.   f ) Sonderfall: Kauf auf Probe   Gerade die größeren Versandhäuser bieten dem Kunden zunächst einen zweiwöchigen Kauf auf Probe an. Der Kunde wird darauf hingewiesen, dass ihm anschließend das zweiwöchige gesetzliche Widerrufsrecht zustünde. Der Käufer soll also ein maximales Loslösungsrecht von 28 Tagen ab Erhalt der Ware haben.   Die Besonderheit dieser Konstruktion liegt darin, dass dem Kunden zum Zeitpunkt der Billigung gemäß § 454 Abs. 1 BGB die Ware nebst (im Paket befindlicher) Widerrufsbelehrung bereits vorliegt. Da der Käufer in der Regel nicht ein zweites Mal auf das Bestehen seines Widerrufsrechts in Textform hingewiesen wird, ist danach zu differenzieren, wie der Kauf auf Probe konzipiert wurde:   aa ) Auflösende Bedingung   Sofern der Kauf auf entgegen der Vermutungsregel gemäß § 454 Abs. 1 Satz 2 als auflösend bedingter Vertrag geschlossen wurde, ist die Belehrung im Rahmen des Warenzugangs nicht per se unwirksam: Weil bereits die ursprüngliche Bestellung des Verbrauchers als dessen maßgebliche Angebotserklärung zu bewerten ist, erfolgt die Belehrung in Textform nicht vor Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers. Es ist daher entscheidend, ob die Vertragsannahme nach dem Inhalt der AGB bereits durch Warenversendung oder erst mit Warenzugang erfolgen soll. Im ersteren Fall käme ein einmonatiges Widerrufsrecht in Betracht, im letzteren Fall ein 14-tägiges Widerrufsrecht.   bb ) Aufschiebende Bedingung   Sofern der Kauf auf Probe als aufschiebend bedingter Vertragsschluss konzipiert wird, tritt der rechtswirksame Vertragsschluss erst im Zeitpunkt der Billigung ein. Da  die Belehrung in Textform somit vor Vertragsschluss erfolgt, scheint das zweiwöchige Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB einschlägig zu sein. Allerdings kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass erst die nachträgliche Billigung gemäß § 455 BGB die maßgebliche Willenserklärung des Verbrauchers sei. Denn die Billigung ist als echte Bedingung im Sinne des § 158 BGB eine rechtsgestaltende Willenserklärung, die grundsätzlich dem Verkäufer gegenüber abzugeben ist. Folgt man diesem Ansatz, wäre die bei Warenzugang erfolgte Widerrufsbelehrung verfrüht ergangen und also nach Ansicht des BGH wohl unwirksam. Hiergegen mag man einwenden, dass eine (ausdrückliche) Billigung hinsichtlich des (endgültigen) Vertragsabschlusses nicht zwingend erforderlich ist: Gemäß den an § 455 Satz 2 BGB ausgerichteten Verkaufs-AGB tritt der aufschiebend bedingte Vertrag nach Ablauf einer bestimmten Frist automatisch in Kraft. Die Billigung kann demnach nicht die maßgebliche Willenserklärung des Verbrauchers sein.

8. Praktische Konsequenzen 

Abschließend sind die Konsequenzen zu erörtern, die sich aus der dargestellten Anwendung der §§ 355, 356, 126 b BGB ergeben.   a ) Unbegrenzte Widerrufsmöglichkeit   Sofern der Verbraucher nach Vertragsabschluss über das Bestehen eines zweiwöchigen Widerrufs- oder Rückgaberechts in Textform belehrt wird, ist diese Belehrung fehlerhaft, da auf das Bestehen eines einmonatigen (nicht vierwöchigen!) Widerrufsrechts hätte hingewiesen werden müssen. Die Widerrufsfrist beginnt daher nicht zu laufen. Das Widerrufsrecht endet auch nicht gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB spätestens 6 Monate nach Vertragsabschluss und Lieferung. § 355 Abs. 3, Satz 1 BGB n.F. ist nämlich nur in seltenen Ausnahmefällen, einschlägig. Vielmehr besteht mangels ordnungsgemäßer Belehrung nach § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB n.F. eine unbegrenzte Widerrufsmöglichkeit. Dies gilt zumindest seit Inkrafttreten des OLG-VerträndG vom 23.07.2002. Da der Widerruf ein Gestaltungsrecht und kein Anspruch ist, besteht keine Verjährungsfrist, da auch § 218 BGB nicht analog anwendbar ist. Ob und ab wann eine Verwirkung aufgrund bloßen Zeitablaufs anzunehmen ist, wird unterschiedlich beurteilt; grundsätzlich ist eine Verwirkung ausgeschlossen.    b ) Wertersatz?   Die Widerrufsbelehrung enthält typischerweise einen Hinweis auf die Wertersatzverpflichtung gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB und Wege zu ihrer Vermeidung. Dem Kunden wird mitgeteilt, dass er die Ware (ohne Wertersatzverpflichtung) lediglich in einem Umfang prüfen und benutzen darf, wie dieses in einem Ladengeschäft üblicherweise der Fall gewesen wäre; außerdem wird  darauf aufmerksam gemacht, die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch zu nehmen (z.B. die Originalverpackung nicht unverzüglich zu vernichten, etc.).   Eine fehlerhafte Belehrung hinsichtlich der Länge der Widerrufsfrist schlägt auf die Belehrung der  Wertersatzverpflichtung grundsätzlich nicht durch. Die Belehrungsverpflichtung bezüglich des Widerrufsrechts und der Bedingungen seiner Ausübung ist zu trennen von der Belehrungsverpflichtung bezüglich der Rechtsfolgen nach Ausübung des Widerrufsrechts. Folglich wird der Verbraucher von seiner Wertersatzverpflichtung nicht schon deshalb frei, weil er hinsichtlich der Länge der Widerrufsfrist fehlerhaft belehrt wurde.   Allerdings schreibt § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB ausdrücklich vor, dass der Verbraucher nur dann Wertersatz zu leisten habe, er wenn „bei Vertragsschluss in Textform“ auf die Rechtsfolge des Wertersatzes hingewiesen wurde. Beim eBay-Geschäft wird der Käufer stets nach Vertragsschluss in Textform über die Rechtsfolgen bei Ausübung des Widerrufsrechts belehrt. „Bei“ Vertragsschluss impliziert jedoch, dass die Belehrung in Textform nach § 126 b BGB zeitgleich, zumindest im unmittelbaren Anschluss an den Vertragsabschluss erfolgen muss. Diese restriktive Wortlautauslegung gebietet der im Perfekt gehaltene Gesetzestext, wonach der Verbraucher „spätestens“ bei Vertragsschluss auf die Rechtsfolgen „hingewiesen worden ist“. Folglich wird der Verbraucher bei allen eBay-Geschäften und bei vielen Online-Shop Geschäften nicht bei Vertragsschluss in Textform belehrt. Eine Wertersatzverpflichtung des Käufers scheidet bei Beachtung der Sorffalt in eigenen Angelegenheiten aus (§ 277 BGB). Hierfür spricht auch folgende überlegung: Zum einen stellt § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Ausnahmevorschrift dar: Entgegen § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HS 2 BGB wird eine Wertersatzverpflichtung bezüglich der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Ware angeordnet; eine Ausnahmenorm ist jedoch immer restriktiv – und also im o.g. Sinne – zu interpretieren. Zum anderen kann sich der Kunde wegen der fehlerhaften Belehrung bezüglich der Widerrufsfrist auf eine c.i.c-Haftung des Verkäufers berufen: eine Haftung des fehlerhaft belehrenden Unternehmers hat kürzlich der EuGH bezüglich der Schrottimmobilienfälle in Betracht gezogen.  c ) Nutzungsersatz ?   Es wird vertreten, das eine unterbliebene oder fehlerhaften Belehrung nach § 357 Abs. 3 BGB einen Nutzungsersatzanspruch des Unternehmers gemäß § 357 Abs. 1, 346 Abs. 1, 100 BGB nicht abschneide. Der Verbraucher soll wegen der Ingebrauchnahme der Sache zwar nicht zum Wertersatz wegen Verschlechterung/Wertminderung der Sache, wohl aber zum Ersatz der aus der Ingebrauchnahme gezogenen Nutzungen verpflichtet sein. Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen: Zwar ist zuzugestehen, dass eine Wertersatzverpflichtung wegen Verschlechterung der Sache (Abnutzung) etwas anderes sein kann als eine Nutzungsersatzverpflichtung (Nutzung): Im Ausnahmefall der Verpflichtung zur Erstattung nicht gezogener Nutzungen (§ 347 Abs. 1 Satz 1 BGB) besteht beispielsweise keine Wertminderung der Sache infolge nutzungsbedingter Abnutzung. § 357 Abs. 3 BGB versagt jedoch eine Ersatzpflicht des Verbrauchers für die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung. Dieser Abnutzungsschaden steht dem Nutzungsgewinn im Regelfall spiegelbildlich gegenüber; Wertersatz- und Nutzungsersatzverpflichtung sind deckungsgleich. Denn die Höhe der Nutzungsvergütung würde sich am anteiligen linearen Wertverlust der Sache bemessen. Sofern man dem Verbraucher im Fall der unterbliebenen oder fehlerhaften Belehrung eine Vergütungsverpflichtung für die gezogenen Nutzungen auferlegen würde, käme dies einer Umgehung im Sinne des § 312 f BGB gleich. § 357 Abs. 3 BGB liefe im Ergebnis leer, weil der Unternehmer den (gesetzlich versagten) Wertersatz für die bestimmungsgemäße  Ingebrauchnahme der Sache vollumfänglich als Nutzungsersatz erhielte. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass § 357 Abs. 3 BGB keine Aussage zu einer Nutzungsersatzverpflichtung enthalte, wäre ein Nutzungsersatzanspruch des Unternehmers ausgeschlossen: Da dem Verbraucher im Zeitpunkt des Widerrufs die Herausgabe der in der Vergangenheit gezogenen Nutzungen regelmäßig unmöglich ist, schuldet er für die gezogenen Nutzungen Wertersatz. Auch § 346 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 BGB enthält jedoch die ausdrückliche Wertung, dass die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache erfolgte Verschlechterung nicht zu erstatten ist. Ein möglicher Nutzungs-Wertersatzanspruch nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB wäre mit dem Abnutzungsschaden deckungsgleich und also ausgeschlossen; im übrigen bliebe wegen der Kongruenz von Nutzungsgewinn und Abnutzungsschaden § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu beachten. Die durch die Nutzung erlangte Bereicherung verbleibt daher beim falsch belehrten Käufer (§ 357 Abs. 4 BGB). Dieses Ergebnis entspricht auch der Wertung des § 993 BGB: Der redliche rechtsgrundlose Besitzer schuldet grundsätzlich keinen Ersatz für die zwischenzeitlich aus der Sache gezogenen Nutzungen. Dass der Widerruf das Recht zum Besitz lediglich mit Wirkung ex nunc entfallen lässt –  und also eine Vindikationslage bis zum Zeitpunkt des Widerrufs dogmatisch nicht vorliegt –  kann wertungsmäßig nicht von Bedeutung sein, zumal die ex nunc-Wirkung erst seit der Neufassung des Gesetzes gilt. Außerdem besagt die den §§ 355 ff. BGB zu Grunde liegende EU-Richtlinie, dass dem Verbraucher im Fall des Widerrufs keine weiteren Kosten auferlegt werden dürfen, als die der unmittelbaren Rücksendung. Auch dies streitet dafür, dass ein Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers ausgeschlossen ist, sofern und soweit dieser Anspruch mit dem gesetzlich ausgeschlossenen Wertersatzanspruch deckungsgleich ist.   d ) Abmahnung   Wie aufgezeigt, weist die überwiegende Anzahl der via ebay agierenden gewerblichen Verkäufer die Verbraucher in irreführender Weise auf ein angeblich bestehendes zweiwöchiges Widerrufsrecht hin; viele der via Online-Shop getätigten Fernabsatzgeschäfte erfolgten gleichfalls unter fehlerhafter Widerrufsbelehrung. Die Unternehmer riskieren insofern die Abmahnung durch einen Konkurrenten oder einen gemeinnützigen Verband (Verbraucher- und Wettbewerbszentralen). Letzteren steht nach den §§ 1, 2 UKlaG ein Unterlassungsanspruch zu, der auch im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchsetzbar ist (§ 5 UKlaG i.V.m. § 12 II UWG). Besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG kann der Mitbewerber die fehlerhaften Belehrungen gleichfalls abmahnen (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG). Ein etwaiger Rechtstreit wird sich bei Verweigerung der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung als kostenintensiv erweisen. Außerdem besteht bei Geschäften im Internet regelmäßig ein fliegender Gerichtsstand, so dass sich der Mitbewerber dass für ihn günstige Gericht (Hamburg/Berlin) aussuchen kann. Den Unternehmern ist zu raten, ihre Belehrungen hinsichtlich der Fristenlänge zumindest in den beschriebenen Grenzfällen anzupassen; alle ebay-Händler sollten ihre Belehrungen unverzüglich auf die Monatsfrist umstellen.

9. Treu und Glauben 

Nahezu sämtliche mit Unternehmern in der Vergangenheit abgeschlossenen eBay-Verträge und sehr viele der via Online-Shop getätigten Fernabsatzgeschäfte sind zeitlich unbegrenzt widerrufbar (!). Die falsch belehrten Käufer schulden im Fall des Widerrufs i.d.R. keinen Nutzungs- oder Wertersatz, obgleich ihnen die Ware fortwährend zur Verfügung stand und nach der dauerhaftern Ingebrauchnahme praktisch unverkäuflich ist. Die Verbraucher erhalten im Ergebnis ein Milliardengeschenk: Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises gegen Rückgabe der (abgenutzten) Ware. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis einer wertenden Kontrolle Stand hält (§ 242 BGB). Sicherlich wird man ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht der Verbraucher ohne Wertersatzverpflichtung nicht als systembedingte Strafe für eine nicht ordnungsgemäße Belehrung bewerten können. Die gesetzlichen Belehrungsvorschriften sind derartig komplex, dass den Unternehmern hinsichtlich der Falschbelehrungen schwerlich ein Vorwurf zu machen ist. Folgende Korrektive bieten sich nach Treu und Glauben an:   Zum einen könnte man daran denken, eine Beweislasthürde bezüglich der Ausübung des Widerrufsrechts zu postulieren: Ein nachträglicher Widerruf wäre nur dann wirksam, wenn der Verbraucher nachweist, dass er bei ordnungsgemäßer Belehrung in Textform den Vertrag innerhalb der an sich einschlägigen Monatsfrist widerrufen hätte. Der Käufer müsste seinen Widerruf also während der 3. oder 4. Woche nach Vertragsschluss und Anlieferung der Ware ausgeübt haben. Zum anderen könnte man das zeitlich unbegrenzte Widerrufsrecht über das Institut der Verwirkung beschränken: Eine Verwirkung wäre anzunehmen, wenn der Verbraucher die Ware über einen längeren Zeitraum ohne Beanstandungen genutzt hat. Hierin könnte ein konkludenter Verzicht auf etwaig fortbestehende Widerrufsrechte erblickt werden. Eine Korrektur ist auch auf der Rechtsfolgenseite denkbar: § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB könnte teleologisch dahin interpretiert werden, dass ein (unbegrenzter) Widerruf nur gegen entsprechende Nutzungs- bzw. Wertersatzverpflichtung des Kunden statthaft ist.   Zumindest ab dem Zeitpunkt, in dem der Kunde über seine Wertersatzverpflichtung in Textform belehrt wurde, greift § 357 Abs. 3 BGB ein. Es erscheint zu formalistisch darauf abzustellen, ob diese Belehrung bereits „bei“ Vertragsschluss vorlag oder nicht; entscheidend ist vielmehr, dass der Verbraucher in die Lage versetzt wurde, sich über seine Rechte zu informieren. Dies bedeutet, dass der Kunde für die Ingebrauchnahme der Sache während des Zeitraums bis zur ordnungsgemäßen Belehrung über die Wertersatzverpflichtung in Textform keinen Wertersatz schuldet. § 357 Abs. 3 Satz 3 BGB steht dieser Lösungsalternative nicht im Wege, da bei nachträglicher ordnungsgemäßer Belehrung von Seiten des Verkäufers kein Fall der „anderweitigen“ Kenntnis vom bestehen einer etwaigen Wertersatzverpflichtung vorliegt.

10. Fazit 

Die im Rahmen des Fernabsatzgeschäfts einschlägigen Verbraucherschutzvorschriften erweisen sich im Zusammenspiel mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung als juristisches Minenfeld; ein fehlerfreier Geschäftsabschluss bekommt in der Praxis Ausnahmecharakter. Gleichwohl sind die einschlägigen Gesetze zwingender Natur und also formal-dogmatisch anzuwenden. Bei restriktivem Textformverständnis genügt die virtuelle Belehrung auf eine Homepage nicht der Textform nach § 126 b BGB. Folglich sind nahezu alle im Rahmen von ebay-Geschäften getätigten und viele der in den sonstigen Online-Shop-Portalen erfolgenden Widerrufsbelehrungen fehlerhaft. Die Widerrufsrechte der Verbraucher bestehen zeitlich unbegrenzt (§ 355 Abs. 3 Satz 3). Da auf die Wertersatzverpflichtung bei Vertragsschluss i.d.R. nicht in Textform hingewiesen wird, schuldet der Verbraucher nach seinem Widerruf grundsätzlich keinen Wertersatz (§ 357 Abs. 3 Satz 1 BGB). Ob und wie das sich für die Verbraucher ergebende Nutzungsgeschenk nach Treu und Glauben vermeiden lässt, wird der BGH zu entscheiden haben.

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Clemens Pfitzer

Rechtsanwalt . Partner
Fachanwalt für:
Gewerblicher Rechtsschutz
IT-Recht
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